Pressemitteilung
Konzert 14. März 2025
Intime Briefe der Musik anvertraut
Elaia-Quartett bei den Kunstfreunden – Viel Applaus für gediegenes Spiel
Briefwechsel großer Künstler führten in der Musik zu klangvollen Korrespondenzen, schlugen sie sich doch auch in einigen, am Freitag im evangelischen Gemeindesaal vorgetragenen Meisterwerken nieder.
Lebenslänglich hatten die Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn einen regen Briefwechsel. „Mein lieber Fenchel“ lautete die seit Kindertagen gebräuchliche Anrede des Bruders an seine Schwester Fanny, die später den Namen Hensel trug. Obwohl auch sie herrlich komponierte, tat sich Felix lange schwer, ihr zur Veröffentlichung ihrer Werke zu raten. Man lebte eben im 19. Jahrhundert und der Stellenwert der Frauen war ein anderer als heute. Zur Freude des zahlreich anwesenden Publikums kam es dann dennoch zur Publikation, der wir das Streichquartett in Es-Dur der 29-Jährigen verdanken.
Die vier Damen des Elaia Quartetts, Leonie Flaksman und Iris Günther, Violine, Francesca Rivinius, Viola und Karolin Spegg, Violoncello, machten daraus einen makellosen Genuss, ohne an Spielfreude und Verve zu sparen. Die inspirierte Stimmführung der Komposition, ganz wie beim Bruder oft mit kontrapunktischen Einlagen, dazu eine eloquente, vorwärts strebende Rhythmik und Harmonik, gepaart mit schönsten Melodien, machten das Stück zu einer Entdeckung erster Güte.
Dagegen ist Leoš Janáceks zweites Quartett „Intime Briefe“ im Konzertleben präsent. Die hochexpressive Musik des 74-Jährigen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts ist dabei nicht ganz unproblematisch, sowohl in der Ausführung als auch beim konzentrierten Zuhören. Klingt manches im ruhigeren Fluss nach Mahler, gibt es auch extreme motorische Ausbrüche, die einem Bartok nur wenig nachstehen. Zugrunde liegt dem zerrissenen Werk ein inneres Programm, inspiriert von hunderten unbeantworteter Briefe an die 40 Jahre jüngere ferne Geliebte Kamila Stöslová. Romantisch verbrämtes Leiden eines Gealterten oder nach heutiger Empfindung schlichtes Stalking? Die Qualität seiner Komposition ist freilich einzigartig. Weiß man, dass zu den Mentoren der vier Damen auf dem Konzertpodium selbst das legendäre Kronos-Quartett gehörte, verwundert die Qualität und Stilsicherheit der Interpretation des Elaia-Quartetts nicht.
Eine Erwiderung wurde Janácek posthum dann doch zuteil. Die finnische Komponistin Cecilia Damström (geb. 1988) beantwortete vier seiner Briefe musikalisch, die Antworten wurden während des Spiels vorgelesen. So entstand ein dichtes Gewebe aus Motorik, ätherischem Flageolettspiel, Glissandi, gezupften Tönen, ja züngelnden Flammen, wurde die Musik laut ihrer Schöpferin doch „im Feuer“ geschrieben. Applaus auch für zeitgenössische Kunst!
Im Finale stand dann Felix Mendelssohns letztes Quartett in f-Moll. Ein erschütterndes Dokument menschlicher Ergriffenheit, entstanden nach dem Tod der geliebten Schwester. Da Felix kurz darauf selbst verstarb, wurde daraus auch ein Abschiedsbrief in Tönen. Die Darbietung dieser Musik letzten emotionalen Aufbäumens beeindruckte nachhaltig, so gab es am Ende dann auch keine Zugaben.
Text und Bild:
Ronald J. Autenrieth
Rückblick
4. Konzert
Saison 2024/25
Freitag, 14. März 2025
20:00 Uhr
Elaia Quartett
Iris Günther (Violine), Leonie Flaksman (Violine), Francesca Rivinius (Viola), Karolin Spegg (Violoncello)
Programm „Briefwechsel“
Mit Feder und Tinte haben Komponist:innen in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur Noten aufgeschrieben, war doch der Brief das vorherrschende Kommunikationsmittel, um sich mit nahestehenden Menschen auszutauschen. Ob humorvolle Reiseberichte zwischen Wolfgang und Leopold Mozart, Liebesbriefe zwischen Clara und Robert Schumann oder Beethovens Brief an die „unsterbliche Geliebte“; Briefe liefern uns heute einen unglaublich wertvollen und authentischen Einblick in das Leben der Komponist:innen.
Auch für Leoš Janáček spielten Briefe eine bedeutende Rolle. Ein Jahr vor seinem Tod widmete er sein 2. Streichquartett der 40 Jahre jüngeren fernen Geliebten und betitelte es mit „Intime Briefe“, ursprünglich „Liebesbriefe“. 100 Jahre später entsteht als Kommentar zu ebendiesem Streichquartett Cecilia Damströms „Letters“.
Umrahmt werden diese beiden Werke von dem Geschwisterpaar Fanny und Felix Mendelssohn, deren Briefwechsel zu den bekanntesten in der Welt der Musiker:innen und Komponist:innen gehört. So diskutieren die beiden in ihren Briefen beispielsweise über Fannys schwierige Position als komponierende Frau oder tauschen Meinungen und Kritik zu ihren neuesten Kompositionen, wie auch zu Fannys (einzigem) Streichquartett in Es-Dur, aus. Kurz nach ihrem überraschenden Tod, welcher Felix völlig aus der Bahn warf, komponierte dieser sein letztes Werk, das Streichquartett Nr. 6 in f-Moll - sein „Abschiedsbrief“ an die geliebte Schwester.
Fanny Hensel (Mendelssohn) (1805 - 1847)
Streichquartett in Es-Dur
1. Adagio ma non troppo
2. Allegretto
3. Romanze
4. Allegro molto vivace
(ca. 22 min)
Leoš Janáček (1854 - 1928)
Streichquartett Nr. 2 „Intimate Letters“
1. Andante - Con moto - Allegro
2. Adagio - Vivace
3. Moderato - Andante - Adagio
4. Allegro - Andante - Adagio
(ca. 25 min)
Pause
Cecilia Damström (*1988)
Streichquartett Nr. 2 „Letters“ op. 61 (2018)
(ca. 16 min)
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 -1847)
Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80
1. Allegro vivace assai - Presto
2. Allegro assai
3. Adagio
4. Finale: Allegro molto
(ca. 25 min)
Fotos: Lukas Diller